Die Macht des Fragezeichens oder die Frage nach dem Warum?


Was ist das Fragezeichen? In vielen Standardwerken zu Rechtschreibung und Grammatik wird das Fragezeichen ganz einfach definiert (s. a. Def. online Duden).

Das Fragezeichen ist ein Satzzeichen, welches zur Kennzeichnung von Fragesätzen verwendet wird.

Dabei steckt aber noch so viel mehr Potential in diesem kleinen unscheinbaren Kringel!

Zu einer lustigen Melodie erklärt das Fragezeichen schon kleinen Kindern: „Wer?, Wie?, Was?, Wieso?, Weshalb?, Warum?“, wer nicht fragt bleibt dumm! Wir ermuntern also schon unsere kleinen Kinder Fragen zu stellen, um mehr über die Umwelt und das Leben zu erfahren. Viele Erfahrungen müssen somit gar nicht selbst gemacht werden – die Guten, wie die Schlechten – sondern können gezielt aus einem bestehenden Fundus aus dem vorhandenen Wissen der Erwachsenen abgerufen werden.

In vielen Bereichen unseres Arbeitslebens würde uns genau dieses Prinzip zugute kommen, würden wir nur die richtigen Fragen stellen. Nicht umsonst gibt es den kurzen Merksatz: „Wer fragt, der führt …! “ Natürlich ist damit der Gedanke auf die Gesprächsführung zu richten und zielt weiterführend auch auf eine effiziente Informationsgewinnung. Die richtige Frage kann oft aus einem Motivationstief heraushelfen oder gar eine inhaltliche Unsicherheit aufdecken.

Die Fähigkeit, die richtige Frage zum richtigen Zeitpunkt zu stellen, ist für jeden Moderator eine der wichtigsten Kernkompetenzen. Fragetechniken können erlernt werden, deren geschickter und gewinnbringender Einsatz erfordert jedoch Erfahrung und viel Übung. Auf die Spitze getrieben, bestehen viele der allgemein anerkannten Management- und Führungsmethoden, Werkzeuge zur Problemlösung und Ursachenanalyse, kreative Tools, etc. auch nur aus ganz bestimmten Fragen, die in der jeweiligen Methode zu einem einzigartigen Fragen-Set zusammengefügt werden.

Warum stellen wir Fragen?

Versucht der Mensch zu verstehen, was er tut, so sind Fragen ein unentbehrliches Hilfsmittel. Nur durch dieses, manchmal grobe, oft aber auch sehr präzise Werkzeug, kann er sich erklären wie die Dinge funktionieren und was die Welt in ihrem Inneren zusammenhält.

Somit sind Fragen gerade auch für den Coach oder den Moderator von zentraler Bedeutung. Zusätzlich zur Informationsgewinnung muss er durch seine Fragen auch einen Ausgleich schaffen zwischen Aktivieren und Mäßigen, zwischen substantiellem Hinterfragen und nervigen Nachbohren. Bei der Auswahl seiner Fragen darf er weder ein Klima des Verhörs schaffen noch Widerstand erzeugen um die moderierte Gruppe zielführend und effektiv anleiten und weiterführen zu können.

Ganz besonders in offenen Moderationen sind dabei die Warum?-Fragen mit großer Vorsicht zu genießen. Gerade in ungewohnten und stressigen Situationen (vor einer Gruppe sprechen, der Chef ist mit dabei, man ist nicht gut vorbereitet, etc.) löst die Frage nach dem „Warum?“ des eigenen Standpunktes häufig eine Abwehrreaktion aus. Oft nicht so übergriffig gemeint, wie von einem selbst wahrgenommen, löst diese kurze Rückfrage nicht nur in wenigen Fällen aber eine Verweigerung bis hin zu einer vollständigen Blockadehaltung aus.

Jemand, der unter emotionalem Druck steht, wittert ein Verhör und implizierte Kritik und reagiert instinktiv nicht mit sachlichen Erklärungen sondern mit Rechtfertigungen und Gegenargumenten. Ganz besonders problematisch ist hier die starke Frage nach dem „Warum?“.

Das zweideutige „Warum?“

Die Frage nach dem „Warum?“ forscht objektiv nach einer sachlichen Erklärung für einen Zustand oder eine Handlung. Dies deutet schon an, es gäbe stets auch eine Ursache für eine bestimmte Wirkung, somit auch einen nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung. Sprachlich verlangt ein „Warum?“ also ein „Weil!“ als Antwort. Die Vermutung, hinter allem stehe eine bestimmte Ursache, führt dazu, daß wir leicht in den Modus verfallen, immer weiter Warum-Fragen stellen zu wollen um somit an immer tiefere Erkenntnisse zu gelangen.

Dies wird uns häufig auch genau so im Geschäftsleben vorgelebt: Es ist immer besser eine falsche Ursache zu vermuten als gar keine Erklärung für das Problem zu haben!

Auf einer zweiten Ebene impliziert dieser Zusammenhang, daß es immer eine klar definierbare Ursache für eine bestimmte Wirkung geben muss. Es gilt nur diese ganz bestimmte Ursache zu identifizieren ohne Rücksicht auf weniger wahrscheinliche Alternativen. Ist man bereits auf eine Ursache festgelegt und meint zu wissen, wie die Dinge funktionieren, so fällt es einem oft schwer zu überlegen, ob es nicht auch noch ander Ansätze geben könnte.

Genau hier liegt eine der Kernaufgaben des guten Moderators. Zumindest er muss offen bleiben für diese Zwischentöne und er muss versuchen diese auch gleichwertig und urteilsfrei in seiner Moderation zu verarbeiten. Stellen Sie sich als Beispiel die Frage vor, wer denn mit dem Streit angefangen hat. Unausweichlich kommt es hier zur Benennung eines Schuldigen oder eines Verursachers und zumindest dieser „Sündenbock“ wird schnell Widerstand gegen die zuerst nur objektiv gestellten Fragen entwickeln.

Der Moderator muss gerade in solchen Situationen mit lösungsorientierten Fragen ans Werk gehen und die Schleife aus Beschuldigung und Gegenrede durchbrechen. Effektiv lässt sich dies durch die Suche nach relevanten Informationen für die gegebene Problemstellung ersetzen.

Was sind die besseren Fragen?

Besonders in kritischen Situationen sind funktionale und vertiefende Fragen entscheidend, die über das erklärende Niveau der Warum-Frage hinausreichen. Kommt es in der Argumentation zu einer Sackgasse, wie z.B. „Das geht nicht!“, „Das ist nicht gut!“, „Die Gefahr ist zu groß!“, „Jeder macht das so!“, etc., so stößt die viel zu einfache und viel zu unspezifische Frage nach dem Warum sehr schnell an ihre Grenzen. Gerade den zuvor genannten höchst allgemeinen Aussagen gilt es durch geschicktes Hinterfragen mit spezifizierenden Fragestellungen zu begegnen.

  • Das geht nicht. – Was genau geht denn nicht?, Was macht Sie denn so sicher, daß es nicht geht?, etc.
  • Das ist schlecht. – Was genau meinen Sie mit schlecht?, Was könen wir ändern, damit es nicht mehr schlecht ist?, etc.
  • Das macht jeder. – Wen genau meinen Sie mit jeder?, Gibt es dazu auch Ausnahmen?, Könnte es in diesem Fall anders sein?, etc.

Ist so ein Totschlag-Argument erst einmal entkräftet und weiter spezifiziert worden, kann der Moderator nun einen weiteren Impuls setzen um den Dialog zielführend voranzutreiben. Eine weiterführende Frage könnte dabei lauten: „Was müssten wir Ihrer Meinung nach also tun, damit es doch geht, doch nicht schlecht ist oder es eben nicht mehr jeder tut?“.

Das beschriebene Vorgehen, also zuerst spezifische Vertiefungsfragen stellen, wie: „Was konkret verstehen Sie unter …?“, „Wodurch, glauben Sie ist es entstanden?“, „Womit könnte das Ihrer Meinungen nach zusammenhängen?“, etc. und anschließend konkrete Impulsfragen, wie „Was könnten wir tun, damit …?“, „Was wäre die alternative Vorgehensweise?“, „Worauf müssten wir achten, um es dennoch realisieren zu können?“ etc. kann sehr effektiv über Moderationshindernisse hinweghelfen.

Ohne ein Klima des Verhörs, ohne Beschuldigungen und Rechtfertigungen, können lösungsorientierte und erfolgreiche Moderationen und Besprechungen sehr effizient und gewinnbringend durchgeführt werden.